Die Chronik der KF Willich


Die Chronik der Kolpingsfamilie Willich ist in zwei Hauptteile unterteilt. Der erste Teil umfaßt die ersten 100 Jahre von 1896 bis 1996. Diese Periode ist der Festschrift anlässlich des 100 jährigen Bestehens der KF Willich im Jahre 1996 entnommen. Karl Kothen (+2003) ist der Chronist, Ihm zum Gedenken ist die Chronik ungekürzt wieder gegeben.

Die Chonik der KF Willich ab 1997 wird zu einen späteren Zeitpunkt verfasst und dann auch online nachzulesen sein.

 

100 Jahre KF Willich (1896 bis 1996)

 

Gruender100 Jahre Kolpingsfamilie Willich

Nach dem Tod von Pfarrer Konrad Giessen im Jahre 1876 ließen die Wirren des Kulturkampfes eine Neubesetzung der Pfarrstelle nicht zu. Zehn Jahre blieb das Pfarrhaus leer. Willich war eine Dorfgemeinschaft von ca. 6000 Einwohnern, meist Bauern, Handwerker und Seidenweber.

Für Pfarrer Gustav Schmidt gab es nach dieser Zeit, anlässlich seiner Amtseinführung im Jahre 1887, in der Pfarrgemeinde einen triumphalen Empfang. Von vollen Gotteshäusern bei Missionen berichtet der Chronist. Und bei der ersten Visitation und Firmung zählte man 1170 Firmlinge.

1898 wird die 750 Jahre alte Pfarrkirche St. Pankratius gegen den Willen der Bevölkerung abgerissen. Aber schon 1901 geht mit der Einweihung unserer heutigen Pfarrkirche St. Katharina ein großer Tag für die Pfarrgemeinde in die Geschichte ein.

Fahne von 1897In dieser Zeit des Umbruchs und des sich Wiederfindens greifen auch in Willich junge Männer die Idee des Gesellenvaters und Sozialreformers Adolph Kolping (1813 - 1865) auf und gründen 1896 den Gesellenverein. Hierzu gehörten Alex Stangenberg, Heinrich Bausch, Josef Ungermanns und Bernhard Silkens. Ein genaues Gründungsdatum ist nicht überliefert. Das erste Protokollbuch ging verloren und in Archiven und alten Zeitungen sucht man vergebens nach Berichterstattungen über kirchliche Vereine. Erster Präses des Gesellenvereins war Kaplan Heinrich Breuer. Er begann mit seinen Gesellen eine Vereinsarbeit, die der Fortbildung und Unterhaltung diente, um sie zu ehrenwerten Meistern heranzubilden. Jedoch heißt es auch für den jungen Verein, nach dem ersten Weltkrieg (1914 - 1918) die wirtschaftliche Nachkriegszeit und die Zeit der Inflation (1922/11923) durchzustehen. Im Jahre 1926 wurde die Vereinsarbeit nach einer Flaute unter Kaplan Boeckem wieder ins Leben gerufen und kurz darauf von Präses Dr. Müller und Senior Hermann Werder aktiviert. 1928 ernannte man Gründer Josef Ungermanns zum Vizepräses. Wöchentlich trafen sich die Gesellen mit ihrem neuen Senior Josef Hardy zu den Vortragsabenden.

Nach der Einweihung des neuen Jugendheims im gleichen Jahre, welches Dank tatkräftiger Mitarbeit des Gesellenvereins und unter Leitung von Dechant Gottfried Schaeben ausgestattet und eingerichtet wurde, war für die Gesellen der Abschied von ihrem bisherigen Vereinslokal Schiffer gekommen.

 

Mitgliederkarte 1926Auch in Kriegszeiten pflegte man die Geselligkeit

 

Mit den neuen Räumlichkeiten entfalteten sich auch verschiedene Interessen. So gründete man im November 1928 eine Gesangsabteilung unter Leitung von Lehrer Gerke. Ebenfalls fanden die Aufführungen der neugegründeten Theaterabteilung unter der Regie von Lehrer Paul Bittscheid, besonders in der schlechten Zeit, ein gutes Echo. Für die dargebotenen Lustspiele, Schwänke und Operetten waren das Jugendheim und später der Kaisersaal Schiffer zu klein, so dass die Veranstaltungen wiederholt werden mussten. Unter Leitung von Lehrer Schnettler hatte auch aus dem Gesellenverein heraus die DJK ihre Geburtsstunde. Der 2.Juni 1929, an dem das neue Kolpingbanner eingeweiht wurde, war für den Gesellenverein ein großer Tag. Unter den 70 Mitgliedern herrschte reges Leben.Vorstand 1929

Übrigens war es um 1930 auch die nackte Not, die die Menschen in den Kirchen wieder zusammenrücken ließ.  

Im Februar 1931 war die Geburtsstunde des Kolping-Karnevals. Im überfüllten Jugendheim stiegen die Kolpingsöhne zum ersten Mal in die Bütt. Ihr erster Präsident war Rektor Gustav Rütten. Bei solchen Abenden hatte man zu dieser Zeit 151,53 Mark Überschuss bei 262,10 Mark Einnahmen. Im gleichen Jahr gründete man noch eine Wanderabteilung. 

 

Alt-KolpingAus dem Gesellenverein wurde die Deutsche Kolpingsfamilie

 

Mit der Gründung von Altkolping im November 1934 wurde eine familiäre Grundlage für die vorhandene Männerwelt gelegt. Josef Flatters war der erste Altsenior von 30 Mitgliedern. Unter Präses Voss fand die erste Handwerksausstellung der Kolpingsfamilie statt. Sie fand bei der Bevölkerung große Beachtung. Die nationalsozialistische Machtergreifung zeigte auch schon bald ihre Auswirkungen auf die Willicher Kolpingsfamilie. Man traf sich zwar noch zu den Veranstaltungen, aber die Reihen der Teilnehmer lichteten sich. Mit dem Protokoll von der Generalversammlung im April 1937 enden die Aufzeichnungen. 1941 durften keine Kirchenzeitungen mehr erscheinen.

Die Kirchenglocken wurden 1942 demontiert und sollten als Rohstoff für Munition verwandt werden. Die katholischen Vereine, und somit auch die Kolpingsfamilie, konnten nicht mehr öffentlich tagen. Das Mitführen des Banners zur weltlichen Veranstaltungen war ebenfalls untersagt.

Einigen aktiven Mitgliedern, darunter Senior Ernst Hardy, Altsenior Franz Stein und Altmitglied Karl Dömges ist es zu verdanken, dass das Leben der Kolpingsfamilie nicht ganz zum Erliegen kam. Versteckt wurde wertvolle Arbeit geleistet und die Verbindung zu den Mitgliedern aufrecht erhalten.

Kurz nach der Kapitulation 1945 waren es gerade die aus der Gefangenschaft heimgekehrten Altmitglieder Hans Klein und Peter Better, die sich mit Dechant Schuwerak zwecks Wiederauflebens der Kolpingsfamilie in Verbindung setzten. Schon kurze Zeit darauf fand die erste Zusammenkunft ‘En de Hött’ statt.

Am 24.März 1946 war es dann wieder soweit. Neunzehn Kolpingbrüder gründeten erneut im Pfarrsälchen die Kolpingsfamilie Willich. Dechant Schuwerak fand im Hamburger Hafen die alten Kirchglocken wieder und holte sie in feierlichem Rahmen nach Willich zurück.Kolpingsfamilie 1956

Das Leben der Kolpingsfamilie wurde schnell wieder rege. Am 20.Oktober 1946 feierte man das 50-jährige Jubiläum und zählte wieder 44 Mitglieder unter Präses Kaplan Brandenburg und Altsenior Franz Stein. Am 13.Januar 1947 wurde der ‘Kreis junge Familie’ gegründet. Im März 1948 leitete Joh. Groesdonk als Senior die nach dem Krieg wieder gegründete Gruppe Kolping. 

Dank der Initiative von Josef Linssen standen nach dem Krieg 1947 die Theatervorstelllungen der Kolpingsfamilie in voller Blüte. Die Bunten Abende zur Karnevalszeit waren bei der Bevölkerung wieder sehr gefragt. Überfüllte Säle bei jeweils zwei Sonntagsveranstaltungen. Die Kirche untersagte zu der Zeit noch Vergnügungsveranstaltungen am Samstag.

Am 30.Septermber 1956 feierten 76 Mitglieder der Kolpingsfamilie mit ihrem Präses Kaplan Zitzen, dem Altensenior Jakob Benth und dem Senior Fritz Ohlig das 60-jährige Bestehen mit einem Festabend im Saale Schiffer.

 

Kolpingsfamilie 1966Im Mittelpunkt der letzte noch lebende Gründer

 

Auch am 8.Mai 1966 war für die Kolpingsöhne ein besonderer Tag. Man feierte intern das 70-jährige Jubiläum, zu dem auch Diözesan-Altensenior Josef Schmitz aus Rheydt und Diözesanpräses van de Weyer gekommen war, um den einzigen noch lebenden Gründer der Kolpingsfamilie, Vizepräses Josef Ungermanns, für seine 70-jährige Mitgliedschaft zu ehren. Es war das letzte Mal, dass Josef Ungermanns im Kreise seiner Kolpingbrüder weilte. Am 23.Juli des gleichen Jahres starb er, als letzter Zeuge der Gründerjahre.

In den folgenden Jahren machte die Kolpingsfamilie durch ihre Öffentlichkeitsarbeit mit einem Bildungsprogramm und mit für jedermann zugänglichen Veranstaltungen von sich reden, Hierdurch leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Erwachsenbildung in der Stadt und Pfarrgemeine.

Mit einem eigenen Programm setzte der ’Kreis junge Familie’ unter Leitung von Präses H. Fassbender und Karl Kothen Akzente. De regelmäßig stattfindenden Diskussionsabende bei Maaßen fanden großes Interesse. Besonders für kinderreiche Familien wurden bezuschusste Familienferien organisiert und durchgeführt.

Die Teilnahme und das Engagement vieler Mitglieder am politischen Leben, besonders nach der kommunalen Neugliederung, waren größer denn je. Am 1.Januar 1970 wurden die Orte Willich, Schiefbahn, Anrath und Neersen zur Stadt Willich zusammengeschlossen.

Einige Mitglieder waren mit Sitz und Stimme im neuen Stadtrat oder als sachkundige Bürger in den Ausschüssen vertreten. Bis zur Wahl des neuen Rates und der Ernennung der neuen Verwaltungsspitze lenkte der Kolpingsohn Emil Merks die Geschicke der jungen Stadt mit 40.000 Einwohnern.

 

Kolpingfrauen 1971 (Medium)Frauen in der Kolpingsfamilie

Das 75. Jubiläumsjahr der Kolpingsfamilie 1971 machte durch vielerlei Veranstaltungen von sich reden. Meilenstein für eine neue Epoche in der Geschichte der Kolpingsfamilie war sicherlich die Aufnahme 20 weiblicher Mitglieder in eine Gemeinschaft, die bis dahin nur Männern vorbehalten war. Somit ging der 8.Mai 1971 als Gründungsdatum der Frauengruppe in die Geschichte ein. Präses Kaplan H. Faßbender und Altsenior Hans Kothen nahmen die feierlichte Aufnahme in der Elmpter Kapelle vor.

Über 400 Gäste waren beim Festabend im Saale Schiffer. Staatsminister a.D. Konrad Grundmann hielt die Festrede, in der er die Bedeutung des Kolpingwerkes mit seinem Schwerpunkt in der Familien- und Sozialpolitik herausstellte. Groß war die Reihe der Ehrengäste. Sie waren aufmerksame Zuhörer bei Darbietungen des Kirchenchores, des ’Vereinigten Männerchores’, des Schülerorchesters des St, Bernard-Gymnasiums und Dokumentationsspielen. Auf den Titelseiten der örtlichen und überregionalen Presse nahm die Berichtserstattung über das 75-jährige Jubiläum breiten Raum.

Einen weiteren Wandel brachte das Zentralstatut von 1971. Somit gab es auch in Willich nicht mehr den Senior und Altensenior der Kolpingsfamilie. Nach dem neuen Statut leitete Hans Kothen nun als Vorsitzender die Kolpingsfamilie; ihm zur Seite der Präses, Schriftführer, Kassierer und die Alters- und Sachgruppenleiter.

 

KolpingschuleNun auch eine Kolpingsschule

Der Rat der Stadt gab 1975 einem Antrag der Kolpingsfamilie statt. Danach erhielt die katholische Grundschule den Namen ’Kolpingschule’. Peter Walter wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt, nachdem Hans Kothen den Vorsitz im Diözesanvorstand übernahm.

Das Leben in der Kolpingsfamilie war sehr lebendig. Dank großer Kartennachfrage gab es nun zwei Bunte Abende mit einem originell närrischen Programm ’Made by Kolping’ im überfüllten Kaisersaal. Der seit Jahren beliebte Rosenmontagsball im Saal Krücken musste mangels Interesse von nun an ausfallen.

Gut besucht waren die Veranstaltungen im Rahmen des Bildungsprogramms. Der Kolping-Kegelklub machte durch Pokalgewinne und als Ausrichter des Kolping-Diözesan-Kegelturniers in Willich von sich reden.

Erfolgreichen warten die Weihnachtsbasare der Frauengruppe und die Altmaterialsammlungen für die ’Aktion Indien’, die bis heute durchgeführt werden.

Mit einem Festgottesdienst feierte man 1976 das 80-jährige Bestehen. Von 144 Mitgliedern sind 85 männlich, 37 weiblich, 15 junge Erwachsene und 7 Jugendliche. Auf ein 25-jährigers Bestehen blickte 1979 der Schützen-Jägerzug der Kolpingsfamilie zurück. Unter dem Motto ’Lot os noch jet lache’ werden 1980 endlich alle Kartenwünsche an vier Bunten Abenden im Zeichen des Karnevals erfüllt. Mit dem Kolpingzeichen am Rücksack entdeckten 11 Männer 1980 die Schönheit der Bergwelt und machen seither als Kolping-Hüttenwanderer von sich reden.

Veteranen 1984Erfreulich die Aufnahme von 31 neuen Mitgliedern beim Kolpinggedenktag 1982. Mit einer Veranstaltung stellte sich die Kolpingsfamilie im Mai 1986 beim 90-jährigen Bestehen dar. Generalversammlung, Diözesanversammlung, Karikaturausstellung, Familiensonntag, Jugendtag, Radtour und ein Tag unter dem Motto ’Sport-Spiel-Familienenspaß’ im Sport- und Freizeitzentrum füllten das Jubiläumsprogramm. Gerade diese groß angelegte ’Open-Air-Veranstaltung’ verregnete total. Jedoch ließ man sich auch hierbei nicht entmutigen.

Das Leben in der Kolpingsfamilie ging weiter – wenn auch verändert – und den Anforderungen der Zeit angepasst.

 

RomIn Rom dabei

E in herausragendes Ereignis in der Geschichte war sicherlich die Teilnahme von 45 Kolpingbrüdern und –schwestern der Willicher Kolpingsfamilie an der Seligsprechung Adolph Kolping’s durch Papst Johannes Paul II im Oktober 1991 in Rom. Für alle, die dabei waren, wurde die einwöchige Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis. Was sicherlich alle zutiefst erlebten, war wieder einmal das Gefühl von ‚Gemeinschaft’ und menschlichem Miteinander.

Mit über 200 Mitgliedern, davon 44 Ehepaare, 92 weibliche Mitglieder, 39 junge Erwachsene und 8 Jungkolpingmitglieder, zeigte sich die Willicher Kolpingsfamilie 1996 im internationalen Kolpingwerk vor allem als eine gute Solidargemeinschaft.

Das aktive Leben findet jedoch mehr oder weniger in kleinen Gruppierungen statt. Ein Zeichen der modernen Zeit des Überangebots.

In den letzten Jahren sind die Blicke mehr denn je auf das bevorstehende 100-jährige Jubiläum gerichtet. Es war Wunsch der Generalversammlung, dass ein bewährter Vorstand für die Vorbereitungsphase auch im Jubiläumsjahr präsent ist. Demnach erschien es auch sinnvoll, die 1994 auf der Zentralversammlung des Kolpingwerkes beschlossenen Satzungen (hierin enthalten eine neue Vorstandsstruktur) erst nach dem Jubiläum umzusetzen.

 

Organisatoren_100_JaehrigesDiese Chronik der Willicher Kolpingsfamilie erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Das erste Protokollbuch von 1896 – 1914 und authentische Dokumente sind durch Kriege und widrige Umstände verlorengegangen,

Der Inhalt der Chronik basiert auf Aussagen alter Mitglieder, noch vorhandenen Protokollbüchern und Schriftstücken. Viele Aktivitäten bleiben unerwähnt, sicherlich fehlen auch Namen von Mitgliedern, die als Senioren oder auch als Idealisten im Hintergrund diesen alten Willicher Standesverein geprägt haben. Das eine oder andere findet in weiteren Aufzeichnungen in diesem Jubiläumsstück noch Platz.

Es wäre schön, wenn diese Chronik den älteren Mitgliedern ein Stück Geschichte erneut lebendig werden lässt und den ’Neuen’ das Gefühl vermittelt, stolz darauf zu sein zu können, einer Gemeinschaft anzugehören, die in der Pfarrgemeinde, der Stadt und letztlich weltweit von Bedeutung ist.

Die Zeiten haben sich verändert – doch die Idee Adolph Kolping’s ist lebendig geblieben.

 

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